Manchmal
Manchmal denke ich:
Ich bin eine hölzern Beinprothese,
eine, die zu oft Pinocchio gelesen hat.
Ein Glasauge, das in einem Tintenfass verloren ging.
Ein Schuh, der im Sumpf stecken geblieben ist.
Russisch Brot, in dem kein Guru einen Sinn zu entdecken wagt.
Eine Taschenlampe, in einem Heim von Blinden.
Oder gar ein blecherner Roboter,
dem ein loser Zettel in die Brust gesteckt wurde,
auf dem krakelnd geschrieben steht: „Herz.“
Ein trauriger See,
auf den jemand eine große Plane gelegt hat,
auf der ein lachendes Gesicht gemalt ist
Doch manchmal,
ehrlich gestanden,
da denke ich nicht.
Kein bisschen.
Dann aber ist alles gut,
denn dann weiß ich wie es ist,
wenn ich dereinst,
vielleicht auf einem bequemen Hocker,
auf dem Grunde meines Stundenglases sitze,
ein fröhlich Lied auf den Lippen,
nach oben schau,
wohl wissend,
dass kein Sand mich mehr verschütten wird.
Nur die halbe Wahrheit
In vielen Legenden es heißt:
Und Gott nahm einen Klumpen Lehm
formte den Menschen
nach seinem Angesicht
und legte sein Werk vorsichtig in den Ofen
Doch das ist nur die halbe Wahrheit:
Manche goss er in Blei
Im Treppenhaus
Gestern roch es
im Treppenhaus
nach langer Zeit
wieder einmal
nach Kartoffelsuppe
Und seltsam
plötzlich wurden
Erinnerungen
wach
an die Tage
in denen ich
noch hungerte
nach dem Leben
Neulich auf der Couch
„Ach sagen sie mal, mein guter Herr Psychiater,
Was soll in meinem armen Kopf nur dies Theater?“
„Das ist die Melancholie.“ ,murrend er sich schafft Gehör.
„Doch ich muss sie warnen, sie ist eine gar selten missratene Gör!
So verlockend und angenehm es klingt und ruft ihr Name,
Geben sie gut acht, es handelt sich keineswegs um eine Dame.
Denn war ihr Gurren viel zu stark, und zappeln sie am Wickel,
Niemand wird geben für ihr Herz noch einen halben Nickel.
Es wird schrumpfen, Tag für Tag, langsam, qualvoll trocknen aus,
Bis ein jeder denkt: Mensch Herbert, ist das eine Laus?
Doch damit nicht genug, in der Dürre Schatten flatternd fliegt das Leid,
In alle Ewigkeit sie werden fluchen, den ersten Kuss der holden Maid.“
„Ach sagen sie mal, mein guter Herr Psychiater,
Was soll in meinem armen Kopf nur dies Theater?“
„Das ist die Schwermut.“ ,leicht gereizt er hebt die Stimme.
„Ein bekannt guter Schütze, höchst vortrefflich mit der Kimme.
Und liegt erst an der Wange an der Lauf, ihr lockig Schädel im Visier,
Sie möchten grölen, brüllen, zehnmal wilder als das wildest Tier.
Doch zu spät, denn der Schuss dann selbst, kein Ohr sich wird entrüsten,
Zerreißt ihr scheues Ich, von hohen Bergen bis hin zu flachen Küsten.
Verteilt, verstreut, all das Schöne, was selbst in ihnen wohl gesotten,
Die Seele starr, ein grüner Fisch nicht schlimmer stinkt beim Verrotten.
So lang, bis bleibt ein hohles Haupt, nur Agonie sich darin suhlt,
Das täglich nur noch müde fragt: Ob Leben in ihm buhlt?“
„Ach sagen sie mal, mein guter Herr Psychiater,
Was soll in meinem armen Kopf nur dies Theater?“
„Das ist die Depression.“ ,bösbrummend lässt er sich vernehmen.
„Dies garstig, schrecklich Biest, nur sehr selten ist zu zähmen.
Steckt rein ihren spitzen Stachel, meist durch die kugelrunde Iris,
Und saugt heraus, schlürfend gierig, die letzte süße Firnis.
Durch diesen Strohhalm, so unersättlich, es fließt das warme Hirn,
Für Jahre, bis nur noch wabernd Schwärze hinter kalter Stirn.
Dem lecker Schmatzen dann folgt nie gekannte Leere,
Im Körper breit macht sich unangemeldet Schwere.
Doch damit nicht genug, dem Rülpsen trapsen hinterher die Schwaden,
So dicht, das prompt der letzte Fetzen Hoffnung darin geht Baden.“
Peinliches Schweigen
Ich sehe es euch an,
Das Gedicht,
Ihr lieben Leut,
Es machte euch betroffen.
Doch passt gut auf,
Habt keine Angst!
Denn die Moral von der Geschicht,
Sie lässt uns alle hoffen:
Tropft Trauer aus dem Kopf
Das Lager für die Ewigkeit gebetet
Es ist verloren der ärmste Tropf
Doch auch seine Seele wird gerettet
Im Atem der Muscheln
Wankelmütig ich stand auf Proteus Stirn
Ja oder Nein?
und schnitt doch meinen Schatten von den Schultern
rollte ihn zusammen und versteckte ihn hinter einem Baum
Baum des Lebens
Zweige zu Kreuzen geschlagen säen das durstige Land
Seufzende Seele
ohne Last du nun bist
und nur das Meer in der Brandung
wirft weiter seine Fragen an die Gestade der Gesprächigen
Unermüdlich murmelnden Schaum auf den Lippen
Ich aber höre bloß noch den Atem der Muscheln
den tiefen Gesang des Seetangs
den Hauch der Ewigkeit
und kleine Fische malen mir
im Sinken
mit Teer
schwarze Rosen auf die Brust
Zeit
Zeit
Zeit
Zeit
Sie nagt
An mir
Beißt ab
Kleine Stücke
Geduldig
Aus der Mauer
Der Mauer
Die da schützt
Unbeholfen
Vor der Angst
Der Angst
Vor der Stille
Im Tod
Das tut man nicht
Das tut man nicht
So sagen Sie
Nein, nein
Der Liebe Gott sieht das gar nicht gerne
Er hat Dir das Leben geschenkt
Nur er bestimmt Dein Kommen
Und auch Dein Gehen
Er allein
Das ist Pfui!
Ganz schrecklich Pfui!
Nun ja,
Noch glaube ich Ihnen
Der verlorene Ball
Aus dem Schoße meiner Mutter
Fiel das Fenster in das Himmelszelt
Löste mich von nährend Butter
Zwang zu sehen kalte Welt
Freiheit Ruf der sollt mich locken
Kratzig Kleidung laut frohlocken
Ich sollt nehmen diese Trennung leicht
Glück darin nie wurd erreicht
Zu schnell saß hinter engen Gittern
Angst ließ mich gar tief erzittern
Zu flott wurd gestellt auf Beine krumm
War kein Sinn die Hände stumm
Mein neues Reich ganz ebenerdig
Klipp-klapp des Eltern Lösung fertig
Instantliebe für den laufend Stall
Tränend verlor manch rollend Ball
Schreiend klagte den Verlust
Umsonst, breit machte sich nur Frust
War kein Mensch der mich erhörte
Keine Stimme, zart, die betörte
Drum Stunden krabbelte ab die Stäbe
Wenn es mich doch nur nicht gäbe
Warum hatten sie mich geboren?
Nur um mich zu sehen so verloren?
Doch eines Tages es kam ein kleiner Fink
Durchs Fenster, Schicksals letzter Wink
Drei Tropfen hielt er in dem Schnabel
Aus dem Meer der zaubernd Fabel
Diese ließ er fallen in mein Haar
Alle Wünsche wurden sofort wahr
Niemals mehr sollt brauchen fremde Seel
Über Herz er warf das schwarzes Mehl
Daraus gebacken wurd ein neues Wesen
Eines das gern tat Bücher lesen
Auch in Sterne tat es gerne schauen
Dem was Nahe allerdings nie mehr vertrauen
Bin ein Fisch
Bin ein Fisch in einem Teich
Mein glasig Aug nur Sterne grüßt
Nie stand ein Mensch am wellig Rand
Einzig Seetang meine Stimmung süßt
Wollt gerne wissen große Welt
Aber kein Zug tat Bande stricken
Unter Flossen wartend Koffer klemmt
Umsonst, ich würde bloß ersticken
Aerobes Reich ist mir ganz fremd
Wo Farbkästen kleben auf Pupillen
Drum bleib ich hier dreh Kreise rund
Stumme Platte, endlos Rillen
Ist nur ein Traum, zu treten in Kontakt
Nicht alleinig hinter aggregatem Riegel
Doch vielleicht es kommt der Tag
Man wirft mir Blumen durch den Spiegel
Dann gibt es ein Lachen und ein Tanzen
Gebügelt Ebene tut sich kochend kräuseln
Das Herz wird finden bindend Chor
Nur einsam Kummer hilflos säuseln
Es ist der letzte Traum der mir noch blieb
Keine Kraft für betende Morgana
Laterna magica ist abgebrannt
Müder Geist ganz tot in corpus sana
Das Untier
Erst war es nur sehr klein
das Untier
scheu in die Welt blinzelnd
und naschte ein paar dunkle süße Nüsse
alleinig aus meiner Hand
Es war so putzig und ich liebte es
Sein Fell war so seidig
und so glatt
Sein Herz schlug so beruhigend
und ohne Hast
Es gehörte nur mir
Langsam päppelte ich es auf
Tag für Tag
so es wuchs und wuchs
bis es fraß ein wenig Gras
und von den Blüten in meinem Garten
Das war die schönste Zeit
Dann aber wurde es immer größer
größer und größer
und begann mir Angst zu machen
Es vertilgte ganze Sträucher und Büsche
riss sie aus mit der Wurzel
und hinterließ nur Schwärze und Nichts
Uersättlich!
Doch das Entsetzen ohne Grenzen
den ersten Baum
eine starke Eiche
verspeiste es erst letzte Woche
in einem einzigen Haps!
die Hügel des Horizonts am Mittwoch
die Sterne am Donnerstag
die Sonne gestern.
All das Lachen dieser Welt
jede Nacht
Heute ist alles weg
und ich kehre wieder zurück
muss zurückkehren zu meinem alten Haus
auf die andere Seite des Mondes
Wieder muss ich schlafen
schlafen
schlafen
und schlafen
weiter
weiter
und immer weiter
denn nur der schwarze Schaum meiner Träume
ist des Untiers letzte Nahrung
Auf langer Fahrt
DAS SEGEL
Müde gähnt der Wind
müde
schwarz ist der Himmel
schwarz
DIE WELLEN
Tief schläft Neptun
tief
dunkel ist das Meer
dunkel
MEIN GESICHT
Kalt ruhen die Augen
kalt
starr ist die Seele
starr
DER HORIZONT
Winzig klebt ein Stern
winzig
rudern muß ich
rudern
Ein Wort
Vor meiner Zeit
Zwei bleiche Herzen
Trieben durch Schwärze allein
Funkten funkelnd Irrlichter
Fast blind sie waren
Sahen Blitze im Anderen
Trügerischer Schein
Da ward geblendet die Hoffnung
Im Kelch den falschen Wein
Begierig sie fiel
Durch die Laufmaschen der Eitelkeit
Lachend
Torkelnd
Nie gab es ein gemeinsames Ziel
Wie Steine sich umarmend
Kein Splittern
Die Herzen den Donner vergaßen
Wollten Eltern sich nennen
Nicht fühlen
Umzäunte Egos
Ohne Maßen
Der Zusammenschluss der Körper
Die Leidenschaft für das Ich niemals brach
Kalter Schmelz erweckte Leben
Mein Geist
Gerissen aus Stille
Wurde ungebeten wach
Es folgte die Geburt
Mit Drängen und mit Wehen
Bin die ausgestoßene Innerei
Anders kann ich es nicht heißen
Bin Vollwaise
Schon vor dem ersten Schrei
War nicht der einzig Schlag
Soldatengleich aufmarschiert
Folgten brechend Hiebe
Da war ein Wort
Es lässt kaum sich finden
Nur schreiben
Es heißt: Liebe
Keine Zähne
Auch wenn er keine Zähne mehr hat
Keinen Mut zu leben
So heult er doch
Er!
Der alte, struppige Wolf
Und sucht den Mond
Das einsame, weiße Auge
Das einzig in seinem Herz zu lesen vermag
Der Nagel
Kinder spielen fröhlich auf der Straße
Schmetterlinge bunt gaukeln durch die Luft
Mein Cousin heimlich küsst seine Base
Die Mutter nach dem Jüngsten ruft
Schwangere stolz flanieren mit prallen Bäuchen
Die Enten flattern um den Teich
Das Glück sich ergießt aus sonnig Schläuchen
Es ist so schön im Gottesreich
Doch was ist mit Mir?
Ich kann nichts sehen
Die Tentakel amputiert
Die Brille einst sprang im Gehen
Das Helle flux so wurd kastriert
Mitten durch die Zunge
Den rostigen Nagel
Schlug mir der Tod
Während ich schlief
Ohne Groll und ohne Gnade
Einst tat er ihn versenken
Nun schmeckt es süß
So schrecklich süß
Das perlend Rot
Das viel zu oft
Oft Tagelang
An nichts anderes ich möcht denken
Hab nur ein wenig Geduld
Es ist Nacht
und ich öffne das Fenster
Herein kommst Du
Zart streift mich Deine Hand im Fluge
an der Backe
und mir wird plötzlich ganz warm
Wie immer macht es mich auch ein wenig verlegen
Ich werde rot
Ich werde mich wohl nie ändern
du aber lächelst nur stumm
so wie nur du es kannst
und betrachtest die Bilder auf dem Kamin
Kinder, die am Strand ausgelassen mit Sand werfen
Kinder, die stolz ihre Diplome an die Brust drücken
Kinder, die ihre Kinder auf dem Arm halten
Ja, es war eine lange gemeinsame Zeit
auch sie werden dich immer im Herzen tragen
Ich höre deine Tränen
so weich und rau sie rollen
sie sind nicht verloren
wir fangen sie auf
im kristallenen Meer all unserer Liebe zu dir
Zum Abschied spielst du noch auf dem Klavier
nur für mich
ein stiller Hauch über den Saiten
Töne, so zerbrechlich wie die Ewigkeit selbst
Duftiger Honigfrost auf meinem Rücken
Dann gehst du wieder
Ich schließe das Fenster
und blicke dir nachdenklich hinterher
Ein fragiler Schleier
der leise tanzend inmitten all der Sterne vergeht
Habe nur ein wenig Geduld:
Bald komme auch ich
Nur ein kleiner Strauch
Man stellte mir so viel in Aussicht
Träume, groß, im hellen Licht:
Werde Lokführer, Astronaut
Einer, der mächtige Brücken baut
Geh ins Fernsehen, werde Popstar
Stolz vor aller Welt trage den Talar
Doch ich konnte nie vergessen
Wie Kinderaugen Welt ermessen:
Das dünne, gerissene Glas der Libellen
Den goldenen Kuss der Mirabellen
Den ersten Frosch im Laub, so grün
Im Dickicht versteckt die Blüten blühn
Drum blieb ich dort auch
Beschloss zu werden kleiner Strauch
Zart, versteckt vor euren Fenstern
Zweige, wortlos, ranken tief im Gestern
Mein Herz
Es kreischt, Es kreischt
Mein Herz es kreischt !
Ach, las es doch ruhig kreischen
Es ist nur ein alter Blasebalg
Der seine Arbeit zu vollbringen hat
Die Blase
Seit Jahren ich leb in einer Blase
Herz wirft Scherben, tote Vase
Alle Blumen ich steckt ihm in den Mund
Verwelkten, nie war es lange bunt
In der Blase selbst es gibt kein Licht
Hab in den Knochen schwarze Gicht
Hör auch nicht von draußen Sätze
Durch Ohren, steif, strömt wächsern Krätze
Einsam, einsam, sie fleißig fröhlich singt
Nie erfuhr wie ein Vogel schwingt
Ist es ein Tier mit grünen Beinen?
Oder tut es nur im Stillen weinen?
Dann aber ist’s mein lieb und leiblich Bruder
Auf porösen Wangen salzig Puder
Der gräbt ein in Haut wie taubes Blei
Kann Lachen essen, doch einerlei
Was nie gekannt auch nie vermisst
Die Fahne weiß, stets halb gehisst
Für mich es ist bloß blubbernd Brause
Deshalb lieber ein Wort für mein Zuhause
Sprech von burgig Heimat rollend Ball
Goldbestickt, plakativ, beliebt gar überall
Über Land er rollt und rollt so eiernd hampelnd
Drinnen ich, der Hamster strampelnd
Doch niemand will sehen den Betrug
Kein wahrer Kelch, kaputter Krug
Wieder Scherben: Seht es ist mein Los
Auf mein Grab man wirft das lügend Moos
Denn erst wenn platzt die schiefernd Schale
Dafür ich bet stumm und starr so viele Male
Dann wird gelockt die Seele töricht weit
Freund Tod mir strickt ein sanftes Kleid
Der Rabe
Im Park es saß ein Mann
Ganz still und leis
Er las kein Buch
Schrieb keinen Brief
und spuckte keine Kirschkerne
Er wartete nur
Viele Jahre
Bewegungslos
Bis eines Tages ein Rabe kam
und sich auf seine Schulter setzte
Da wusste der Mann:
Sein Gast war endlich eingetroffen
Jetzt konnte er seine Geschichte erzählen
Die Geschichte seines Lebens
Sein Herz wurde leicht
und er freute sich
Wie die Sonne auch
sie meinte es gut
und kam für einen kurzen Moment heraus
schob die grauen Wolken zur Seite
und grüßte heiter lachend die ganze Welt
Leider kitzelten ihre dünnen Strahlen die Nase so sehr
dass der Mann heftig niesen musste
Erschreckt flatterte sein neuer Freund von dannen
und alles war wie vorher
Gestern sah ich den Mann wieder
Zufällig
Er ist jetzt alt
Ganz still und leis betrachtete er sich im Spiegel
Er wartete noch immer auf den schwarzen Vogel
Auf Schwingen sanft
Er will gleiten nach daheim